Wen trifft das Risiko von Mehrkosten beim Bauwerkvertrag

Selten können bei der Errichtung eines Hauses die Baukosten im Vorhinein genau abgeschätzt werden. Zumeist kommt es zu Verzögerungen und Erschwernissen, mitunter auch zu Projektänderungen während der Bauphase. Spätestens nach der Fertigstellung stellt sich die Frage, ob dadurch verursachte Mehrkosten der Bauherr zu tragen hat oder sich ein Risiko des Auftragnehmers verwirklicht hat.

Führt eine vom Besteller gewünschte Leistungsänderung oder eine zusätzliche Leistung zu einem Mehraufwand oder wird aus der Sphäre des Bestellers eine Erschwerung oder Verzögerung der Ausführung verursacht (etwa wegen mangelnder Koordination mehrerer Handwerker durch den Besteller), kann der Auftragnehmer diese Mehrkosten natürlich zusätzlich verrechnen.

Droht eine beträchtliche unvermeidbare Kostenüberschreitung, muss dies allerdings der Auftragnehmer dem Auftraggeber unverzüglich anzeigen. Bei Verletzung dieser Anzeigepflicht verliert der Auftragnehmer seinen Anspruch auf Abgeltung dieser Mehrkosten. Die Pflicht zur Anzeige der Kostenüberschreitung besteht grundsätzlich unabhängig davon, aus welchen Gründen die Kostenüberschreitung erfolgt, allerdings nimmt die Rechtsprechung keine Anzeigepflicht an, wenn die Ursache der Kostenüberschreitung beim Besteller liegt.

Erschwernisse oder Mehraufwand, die nicht auf der Seite des Bestellers liegen (selbstverständlich neben solchen, die der Sphäre des Auftragnehmers entstammen), treffen nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) grundsätzlich den Werkunternehmer („neutrale Sphäre“). Unvorhergesehene Ereignisse (zB. COVID-19-Maßnahmen) gehen daher grundsätzlich zu Lasten des Auftragnehmers. Wird durch solche unvorhergesehenen Ereignisse allerdings eine vom Besteller zu erbringende Vorleistung verspätet erbracht (zB. verzögerter Aushub der Baugrube durch vom Besteller beauftragtes Erdbauunternehmen führt zur Verzögerung und Mehraufwand bei der Errichtung des Hauses), sind die dadurch verursachten Mehrkosten vom Besteller zu tragen.

Bei Anwendbarkeit der Ö-Norm B 2110 trifft das Risiko einer durch unvorhergesehene Ereignisse verursachten Bauverzögerung, Erschwernissen und dadurch bewirkten Mehraufwandes grundsätzlich den Besteller, wenn dies zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar und vom Auftragnehmer nicht mit zumutbarem Aufwand vermeidbar war. Der Auftragnehmer kann diese Mehrkosten verrechnen bzw. Anpassung der Leistungsfrist verlangen.

Wurde für allfällige Mehrleistungen keine konkrete Preisvereinbarung getroffen, werden diese auf der Basis der bisher vertraglich vereinbarten Preise bzw. Einheitspreise ermittelt. Ergeben sich aus dem Vertrag für solche Leistungsänderungen keine Preise, erfolgt die Abrechnung zu angemessenen Preisen. Die Angemessenheit des Preises ist auf Grundlage der bisherigen Kalkulation des Auftragnehmers zu bestimmen.

Auch im Falle einer Pauschalpreisvereinbarung kann der Auftragnehmer bei Änderungswünschen des Auftraggebers und bei Mehraufwand, der aus der Sphäre des Auftraggebers herrührt, Mehrkosten in Rechnung stellen.

Die Entlohnung vom Besteller nicht angeordneter Forcierungsmaßnahmen (erhöhter Arbeitseinsatz, um bei Bauverzögerung den Fertigstellungstermin einzuhalten) ist allerdings begrenzt mit dem Aufwand, der bei Verlängerung der Leistungsfrist (ohne den Einsatz zusätzlicher Arbeitskräfte) angefallen wäre.

Es empfiehlt sich daher, bereits bei der Prüfung von Angeboten und Auftragsvergabe fundierte rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen und im Bauwerkvertrag das Risiko und die Rechtsfolgen von unvorhergesehenen Erschwernissen und Mehrkosten zu regeln.

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